0,2 % des EU-Budgets – und trotzdem zu viel?
EU-Budgetdisziplin mit kulturellem Kollateralschaden: Der Rat der Europäischen Union will das Budget für Kreatives Europa 2026 um rund 27,56 Millionen Euro bei den Verpflichtungsermächtigungen und 9,86 Millionen Euro bei den Zahlungsermächtigungen kürzen. Was nach einer geringen Anpassung klingt, bedeutet in der Realität: im Kulturbereich wird zehnmal so starker gekürzt wie im EU-Gesamtbudget.

Symbolische Einsparung, strukturelle Wirkung
Das EU-Programm Kreatives Europa ist mit rund 380 Millionen Euro für das Jahr 2026 veranschlagt. Es ist das einzige EU-Förderprogramm, das dezidiert die Förderung von Kunst, Kultur, Medien und Kreativwirtschaft zum Ziel hat. Und es macht gerade einmal 0,19 Prozent des EU-Budgets aus.
Trotz dieser geringen Größenordnung soll es ebenso zur Erreichung der neuen Budgetziele beitragen. Nach dem Willen des Rats der Europäischen Union soll es 2026 um 7,3 Prozent gekürzt werden, während der EU-Haushalt insgesamt um 0,7 Prozent gekürzt wird. Mit anderen Worten: Ein Programm, das weniger als ein Fünfhundertstel des EU-Budgets ausmacht, soll rund zwei Prozent zu den gesamten Einsparungen beitragen.
Diese disproportionale Kürzung spart fiskalisch kaum etwas, schwächt aber die europäische Kultur- und Medienlandschaft überproportional.
Hoher gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Mehrwert
Nach Berechnungen des Forschungsdienstes des Europäischen Parlaments erzielt das Programm Kreatives Europa einen elf-fachen wirtschaftlichen Return on Investment: Jeder Euro aus dem Programm trägt bis zu 11 Euro zum europäischen Bruttoinlandsprodukt bei (EPRS Study 2023, p. 188).
Gleichzeitig und wesentlich entscheidender, entfaltet das Programm Wirkung weit über ökonomische Kennzahlen hinaus: Es stärkt kulturelle Teilhabe, demokratische Öffentlichkeit und soziale Kohäsion – insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Regionen, wo europäische Mittel oft die einzige Möglichkeit sind transnationalen Austausch zu ermöglichen.
Dass gerade dieses Programm gekürzt werden soll, steht im Widerspruch zu den eigenen Schlussfolgerungen des Rates vom Mai 2025, der darin festhielt, dass europäische Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen „ein Motor für Kreativität und Innovation sind – häufig unter prekären Bedingungen“. Es liegt auf der Hand, dass Kürzungen die Situation weiter verschärft: Weniger Projekte, geringere Förderquoten, höhere Unsicherheit.
Kürzungslogik mit bekannten Folgen
Die geplante Kürzung folgt einem Muster, das sich derzeit in vielen europäischen Ländern beobachten lässt: Wenn Budgets enger werden, wird die Kulturförderung zum variablen Posten. Vom Kultursektor wird ein „solidarischer Beitrag“ zur Haushaltsdisziplin erwartet. Was angesichts der ohnehin geringen Budgets gekürzt werden kann, trägt jedoch kaum zur tatsächlichen Budgetkonsolidierung bei, sondern dient als Symbolpolitik fiskalischer Strenge. Demgegenüber sind die Auswirkungen auf den Kultursektor keinesfalls symbolisch, sondern real spürbar für alle im Feld Tätigen.
Die geplanten Kürzungen stellen damit nicht nur eine finanzielle, sondern vor allem eine politische Entscheidung dar: Sie signalisieren, welchen Stellenwert die EU der kulturellen und demokratischen Dimension ihres Projekts beimisst. Und die gesellschaftlichen Kosten dieser Haltung sind hoch: Kulturarbeit schafft jene Räume, in denen Demokratie geübt, Diversität sichtbar und gesellschaftliche Konflikte verhandelbar werden.
Wer hier spart, spart an der demokratischen Infrastruktur Europas.
Was jetzt zu tun ist
- Kürzungen zurücknehmen.
Der Rat und die Mitgliedstaaten müssen die vorgeschlagene Kürzung von 27,56 Millionen Euro bei den Verpflichtungsermächtigungen und 9,86 Millionen Euro bei den Zahlungsermächtigungen) zurücknehmen und das Budget 2026 wieder auf den Entwurfsstand der Kommission anheben.
- Kultur als strategische Investition begreifen.
Das EU-Programm Kreatives Europa ist kein Kostenfaktor, sondern eine Investition mit nachweislich elffachem ökonomischen und gesellschaftlichen Mehrwert. Eine Reduktion untergräbt die Wirksamkeit europäischer Politikziele in Bereichen wie Demokratie, Innovation und sozialer Zusammenhalt.
- Fairness im Mehrjährigen Finanzrahmen 2028–2034 verankern.
Für die kommende Programmperiode müssen mindestens 2 Prozent des EU-Budgets für die Schaffung kultureller Inhalte und die Stärkung kultureller Ökosysteme vorgesehen werden – so wie es zahlreiche europäische Netzwerke fordern.
Quellen:
Entwurf des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2026: Standpunkt des Rates vom 5. September 2025
Europäische Kommission / EACEA: Creative Europe Work Programme 2026, 1 Oktober 2025
Europäisches Parlament, EPRS: Creative Europe and the EU’s Cultural and Creative Sectors (2023), p. 188
Rat der EU: Council Conclusions on the role of culture, arts and creativity in strengthening social resilience (Mai 2025)
Culture Action Europe: Call for reversal of proposed cuts to the 2026 Creative Europe budget, 1.Oktober 2025